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Gianni’s Erlebnisse

Am Ende ging alles ganz schnell: am Samstagnachmittag den Flug gebucht, am Abend Joshua informiert, am darauffolgenden Samstag von Grace und Harrison in Mombasa willkommen geheissen, am Sonntag den ersten obligaten Gottesdienst inkl. erster Motorradfahrt auf für Schweizer Vorstellungen ungeeigneten Strassen und am Montag Start des Abenteuers „Harrison Primary School“ (HPS). Ich kenne die Schule beziehungsweise das Projekt nun schon seit einigen Jahren und war immer wieder beeindruckt von der Arbeit, die Joshua und Co. leisten. Verschiedene von Joshua geteilte Bilder und Berichte haben mich stets interessiert und haben schliesslich dazu geführt, dass ich die Schule endlich vor Ort kennenlernen wollte. Und ich bin froh, habe ich es gemacht.

Während meiner Zeit an der Schule habe ich bei Harrison und Grace gewohnt. Knappe 20 Gehminuten bzw. keine fünf Minuten mit dem Motorrad von der Schule entfernt. Ich wurde von Anfang an als neues Mitglied der Familie aufgenommen und dies hat sich im Verlauf meiner Zeit nur verstärkt. Wenn ich heute meinen Freunden und Verwandten von meiner Zeit in Kenia berichte, so erzähle ich stets stolz von meiner kenianischen Familie. Die Art und Weise, wie mich alle Familienmitglieder aufgenommen haben (zu Bestzeiten lebten wir zu elft unter einem Dach), hat mich sehr berührt und ich war sehr beeindruckt, wie sie das Leben meistern. Erstmals wurde mir richtig bewusst, was Wasser für ein Luxusgut ist bzw. was es bedeutet, kein fliessendes Wasser zu haben. Das Wasser wird mühevoll Kanister um Kanister ins Haus getragen. Ich bekam nur schon beim Zusehen Rückenschmerzen, andere Frauen im Dorf schienen hingegen problemlos 20 Liter Wasser auf ihrem Kopf zu balancieren. Mit diesem Hintergrund ist es auch verständlich, dass sorgsam mit dem Wasser umgegangen werden muss. Kein Tropfen wird verschwendet: Wasser, welches zum Händewaschen verwendet wird, wird direkt in einem Kübel wieder aufgefangen und später zur Spülung der Toilette wiederverwendet. Dasselbe habe ich auch mit meiner Handdusche aus dem Kübel versucht. Nicht zu vergleichen ist auch die Küche, vor allem deren Ausstattung: Während wir es uns gewohnt sind, eine min. vierteilige Herdplatte inkl. Ofen unser Eigen zu nennen, so fand ich bei meiner kenianischen Familie nur eine einzige Gasflaschenfeuerstelle vor (wenn das Gas ausging, gab es noch die Möglichkeit auf Holzkohle umzusteigen). Es hat mich bis zum letzten Tag immer wieder beeindruckt, was trotz diesen Umständen alles auf dem Tisch gelandet ist und schlecht gegessen habe ich nie, ganz im Gegenteil. Kurz zusammengefasst: Ich lebte ein sehr einfaches Leben, aber an etwas gefehlt hat es mir nie.

Kommen wir zurück zur Schule. Nach überstandenem Wochenende, inkl. unzähligen Kämpfen mit der dort herrschenden Hitze, durfte ich am Montag die Schule kennenlernen. Dabei wurde ich von Harrison persönlich begleitet. Er fuhr mit mir zur Schule, zeigte mir alle Räumlichkeiten und stellte mich den Lehrpersonen und allen Schülerinnen und Schülern vor. Danach habe ich mit dem Headteacher Silas den Stundenplan und das weitere Vorgehen besprochen, so dass ich am Dienstag auch sogleich mit meinen ersten Lektionen starten konnte. Am Montag selbst war ich primär noch als Besucher anwesend. Ich hospitierte verschiedene Lektionen der anderen Lehrpersonen, machte mir ein erstes Bild von dem Projekt und beobachtete auch neugierig die interessierten Blicke der Kinder auf dem Schulgelände. Allgemein wurde mir in den ersten Tagen eher wenig zugemutet. Bei jeder kleinster Regung meinerseits wurde mir sofort eine Pause angeboten mit der Begründung, dass ich doch nun müde sei. Ich musste mich nahezu schon aufdrängen, um meine Hilfe anbieten zu können. Dies legte sich glücklicherweise rasch und schon nach kurzer Zeit war ich ein fester Bestandteil des Teams und somit Teil der HPS. Als Lehrperson habe ich dann auch von Anfang an alle Mathematiklektionen der 8. Klasse (letztes Schuljahr an der HPS) übernommen. Mit der Zeit sind dann noch die Mathematiklektionen in der 6. Klasse sowie Italienischlektionen in der 5. und 6. Klasse dazugekommen. Und vereinzelt habe ich noch einzelne Sportlektionen geleitet, was bedeutet, dass man in der prallen Sonne ohne jegliche Spur von Schatten einem Ball hinterherrennt (für die Kinder, im Gegensatz zu mir, absolut kein Problem). Immer wieder hospitierte ich auch bei meinen Lehrerkollegen und gab ihnen ein Feedback. Wenn ich selbst nicht gerade am unterrichten war, so assistierte ich unserer Köchin Elina in der Küche und nachmittags spielte und tanzte ich oftmals mit den jüngeren Jahrgängen, was mir jedesmal eine riesige Freude bereitet hat. Ich denke heute noch allzu gerne an die strahlenden Kinderaugen.

Das Unterrichten bzw. die Zusammenarbeit mit meinen Schülerinnen und Schülern hat mir sehr viel Spass bereitet. Es dauerte eine Weile, bis wir uns aneinander gewöhnt hatten, doch danach würde ich doch von einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit sprechen. Vor allem zu Beginn hatten meine Schülerinnen und Schüler Mühe, offen zu gestehen, wenn sie etwas noch nicht behandelt oder verstanden hatten. Als Mathematiklehrperson stösst man immer wieder auf dieselben Probleme mit den Schülerinnen und Schülern, sowohl bei meiner Arbeit in der Schweiz als auch an der HPS. Und trotzdem muss ich gestehen, dass ich mich dort mit einigen weiteren Herausforderungen auseinandersetzen musste. Als Lehrperson in Basel ist man es sich gewöhnt, dass jedes Klassenzimmer mit einem Beamer und einer Tafel ausgestattet ist, Lehrmittelsätze gibt es en masse und mittlerweile sind auch die meisten Schülerinnen und Schüler mit ihren eigenen Laptops/Tablets anwesend. Man spricht von sogenannten BYOD-Klassen (BringYourOwnDevice) – in Kenia (oder zumindest an der HPS) schlicht unvorstellbar. Ich war bereits froh, wenn alle Schülerinnen und Schüler Schreibmaterial stellen konnten. Für mich als Lehrperson wurde ein Lehrbuch zur Verfügung gestellt, die Schülerinnen und Schüler schrieben alles ab und kamen so zu ihren Unterlagen. In der 6. Klasse konnte ich immerhin auf vier Buchexemplare zurückgreifen, sodass teilweise auch kleine Gruppenarbeiten möglich waren. Somit war vom Aufbau einer Lektion her schon ein anderer Ansatz von Nöten, als ich es aus der Schweiz gewohnt war. Die Schüler selbst waren zwar nicht im Besitz eines eigenen Geräts, jedoch stehen der HPS von der Organisation Labdoo einige Laptops inkl. Schulsoftware zur Verfügung. Auch diese habe ich versucht in den Unterricht einzubauen und den Schülerinnen und Schülern somit den Umgang mit den Computern näher zu bringen. Zudem habe ich mit den Mathematiklehrpersonen fachspezifische Lernprogramme angeschaut und sie ein wenig darin gelehrt, damit sie auch nach meiner Abreise daran anknüpfen können. Insgesamt konnte ich sicherlich ein schlechteres Verständnis und weniger Intuition im Umgang mit dem Computer feststellen, als das in der Schweiz in derselben Altersklasse der Fall gewesen wäre, jedoch ist die Freude und das Interesse daran mindestens genau so gross. Die Sprache stellte glücklicherweise keine Hürde dar. Englisch ist immerhin die zweite Amtssprache Kenias und die Kinder kommen bereits ab dem Kindergarten mit ihr in Berührung. Ab der Primarstufe wird dann auch hauptsächlich nur noch auf Englisch unterrichtet. Folglich sind die Schülerinnen und Schüler insbesondere in den höheren Jahrgängen sehr versiert und sattelfest in der englischen Sprache – zum Teil vielleicht noch mehr als ich. Herausfordernd – bzw. besser gesagt gewöhnungsbedürftig – war einzig die kenianische Aussprache des Englischen und umgekehrt für sie meine schweizerische Aussprache. Daran gewöhnt man sich aber rasch, es konnte zu Beginn aber auch immer wieder zu witzigen Missverständnissen führen. So wurde mir an meinem ersten Tag in Kenia kurzfristig der Spitzname „Safari“ (Swahili für Reise) gegeben, da die italienische Aussprache von „Gianni“ ihrer englischen Aussprache von „Journey“ entspricht – für mich bis heute unbegreiflich, aber durchaus amüsant. Da mein Swahili nicht allzu erwähnenswert war bzw. ist, dauerte die Auflösung dieses Missverständnisses über eine Woche. Während dieser kurzen Zeit habe ich diesen klangvollen Namen aber mit Stolz getragen und danach amüsiert meinen Freundinnen, Freunden und Verwandten in der Schweiz erzählt.

Wie bereits erwähnt, habe ich auch ein wenig Italienisch unterrichtet. Dazu kam es, da von den kenianischen Schulen verlangt wird, dass in Zukunft neben Englisch und Swahili eine weitere Fremdsprache unterrichtet wird – so wurde mir das zumindest erläutert. Tatsächlich waren im Stundenplan (dieser wird nicht von der Schule selbst erstellt) auch entsprechende Lektionen vorgesehen. Die Schulleitung wollte mich ursprünglich Deutsch oder Französisch unterrichten lassen. Da meine Zeit an der Schule aber beschränkt war und auch keine Weiterführung des Fremdsprachenunterrichts in Sicht war, bestand ich darauf, die Schülerinnen und Schüler selbst wählen zu lassen, welche Sprache sie lernen möchten. Zudem war es mir wichtig, dass diese Lektionen mehr dem Vergnügen als dem Lerndruck dienen sollten. Erstens ist der Lernerfolg einer neuen Sprache in sechs Wochen überschaubar und zweitens verlangten die Stundenpläne auch so schon einiges von den Kindern ab. Dies wurde nicht unbedingt von allen so gesehen, doch wir haben den Italienischunterricht schlussendlich so durchgezogen und es war ein grosser Erfolg. Wir lachten viel zusammen und die Kinder grüssten mich auf dem Schulhof mit „Buongiorno Gianni“ inklusive eines grossen Grinsens im Gesicht.

Eines der grossen Highlights für mich war sicherlich die Verabschiedung bzw. all die Emotionen, die mir geboten wurden. Als Lehrer ist man es sich gewohnt, dass die Schülerinnen und Schüler nicht immer den ganzen Aufwand der Unterrichtsvorbereitung etc. sehen und viele Sachen als gegeben annehmen. Oftmals werden sie sich erst später dessen bewusst und trotzdem freut man sich, wenn dies dann wahrgenommen wird. Eine Lehrperson kann viel Energie für weitere Aufgaben aus diesen kleinen Wertschätzungen ziehen. Und auch als Lehrperson in Kenia ist es nicht gross anders. Ich hatte immer ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu meinen Schülerinnen und Schülern an der HPS und spürte auch, dass die Freude an der gemeinsamen Arbeit auf Gegenseitigkeit beruhte. Die gesehenen und empfangenen Emotionen bei meiner Abschiedsfeier sprengten jedoch jegliche Vorstellungen. Es ist schwer, das Ganze auch nur annähernd in Worte zu fassen, jedoch zahlten mir diese Emotionen und die erhaltene Dankbarkeit meinen geleisteten Einsatz um ein Vielfaches zurück. Allein dieser Moment bestätigte mir, dass meine Entscheidung, an die HPS zu gehen, goldrichtig war und zeigte mir auch, dass meine geleistete Arbeit doch um einiges mehr wert war, als ich es mir selbst jemals zugestanden hätte.

Ich wünsche der HPS für die Zukunft alles Gute und hoffe aufrichtig, meine kenianische Familie und all meine Schüler und Schülerinnen bald wieder besuchen zu können. Asante sana – Mwalimu Safari Gianni!

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